Hashtags and Heartbeats – Kapitel 1

„Wie lange sitzen wir hier eigentlich schon?“ Leilas Stimme schallt aus der Küche, getragen von einer Genervtheit, die sie seit unserem ersten Treffen perfektioniert hat. Ihre Art, Worte in kleine Spitzen zu verwandeln, war anfangs irritierend. Heute fühlt es sich wie ein vertrauter Teil unseres gemeinsamen Lebens an.

Ich höre das Geräusch von Frischkäse, der großzügig auf ein Baguette geschmiert wird. Es klingt … skandalös.

„Eine Stunde und zwölf Minuten“, sage ich und massiere meine Schläfen. Die alte Wanduhr über der Spüle tickt unbarmherzig, jedes Klacken ein weiterer Schlag gegen meine Geduld. „Aber wer zählt schon die Sekunden? Außer mir. Und der Uhr. Und vermutlich dem Universum, das sich gerade köstlich amüsiert.“

„Ich!“ Leila erscheint in der Tür zur Küche, triumphierend wie immer, mit einem Baguette in der Hand. Die Frischkäsemenge darauf wäre eine Beleidigung für jeden, der versucht, ein halbwegs akzeptables Verhältnis zwischen Brot und Belag einzuhalten. Die Untertasse, die sie darunter balanciert, sieht aus, als hätte sie in einem Antiquitätengeschäft aus Versehen den Krieg überlebt.

„Weißt du“, beginnt sie mit einem Grinsen, das nach Ärger riecht, „irgendwo gibt es eine Dimension, in der Umzugsunternehmen pünktlich sind. Aber ich wette, dort tragen alle Crocs und hören Schlagermusik.“

„Vielleicht sollten wir sie einfach anrufen …“, sage ich und starre auf mein Handy, das seit Stunden nichts Neues zu berichten hat. Kein Anruf, keine Nachricht, nicht einmal ein kleines Zeichen der Hoffnung.

„Oder“, kontert Leila und lässt sich auf den noch unverpackten Küchenstuhl fallen, „wir erklären die Kisten zur Kunstinstallation. Stell dir die Ausstellung vor: ‚Explodierte Regenbögen im urbanen Chaos.‘ Vielleicht gewinnen wir damit sogar einen Preis.“

Ich öffne den Mund, um etwas zu erwidern, doch in diesem Moment donnert es laut an der Tür. Das Geräusch hallt durch die leere Wohnung, tief und drohend, wie ein Unwetter, das direkt vor unserer Tür ausbricht. Es klingt nicht nach „Hallo, wir sind da“, sondern eher nach „Öffnet die Tür, oder wir treten sie ein.“

„Endlich!“, rufe ich und springe auf, wobei ich fast über eine lose Kabelrolle stolpere, die mitten im Flur liegt. Mein Gleichgewicht fange ich gerade noch ab, bevor ich elegant in eine der rosa beschrifteten Kisten krachen könnte. Leila folgt mir dicht, ihr Baguette wie ein Zepter vor sich hertragend, während sie eine Spur aus Frischkäsekrümeln auf dem Boden hinterlässt – ein modernes Märchen mit einem sehr klebrigen Ende.

Ich reiße die Tür auf, und da stehen sie: zwei Männer, die aussehen, als hätte das Universum beschlossen, mir eine besonders absurde Reality-Show ins Leben zu schicken.

Der Erste, ein kräftig gebauter Mann mit schiefer Baseballkappe, sieht aus, als wäre er bereit, sich auf einen Streit einzulassen. Seine Arme sind muskulös, die Tattoos auf seiner linken Schulter sehen aus, als könnten sie Geschichten erzählen, wenn man nur die richtige Frage stellte. Der zweite ist kleiner, schlaksig, und seine Frisur schreit „heute war keine Zeit für einen Spiegel“. Beide mustern mich mit einer Mischung aus Desinteresse und Belustigung, als wären wir hier bei einem Casting für eine sehr seltsame Sitcom.

„Guten Morgen, Ladies“, sagt der Große und lehnt sich mit der Eleganz eines Hauptdarstellers an den Türrahmen. Es fehlt nur noch, dass er eine Sonnenbrille abnimmt. „Seid ihr die mit den Kisten? Oder sollen wir noch ein paar Türen einrennen, um sicherzugehen?“

Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe und verschränke die Arme vor der Brust, bevor ich etwas sagen kann, doch Leila ist schneller. Sie lässt ihr Baguette sinken, als würde sie gleich einen Frontalangriff starten. „Oh, ihr seid die mit der kreativen Zeitrechnung! Willkommen in unserer Dimension.“

Das Grinsen des großen Mannes wird breiter, seine Augen funkeln – es ist schwer zu sagen, ob vor Belustigung oder vor Reue. „Zeit ist relativ, oder nicht?“

„Nur für Leute, die keine Uhren besitzen“, schießt Leila zurück.

Ich trete einen Schritt nach vorne und unterbreche das aufkommende Duell mit einem gezwungenen Lächeln. „Also, seid ihr hier, um zu helfen, oder um schlechte Philosophievorträge zu halten? Denn ehrlich gesagt, ich bin nicht sicher, ob ich für Letzteres Energie habe.“

Der Schlaksige zieht eine Augenbraue hoch. „Ihr seid ein ganz schön wilder Haufen, was?“

„Oh, das ist noch harmlos“, murmelt Leila und streicht sich beiläufig eine Haarsträhne aus dem Gesicht, als würde sie sich auf einen weiteren Schlagabtausch vorbereiten.

Der Große scheint die Situation zu genießen, während er sich von der Tür löst und uns beide mit einem Blick mustert, der eindeutig sagt: Ihr seid anstrengend, aber auf die gute Art.

„Okay, Ladies“, sagt er schließlich und klatscht in die Hände. „Zeigt uns, wo das Chaos ist. Und wir … na ja, wir machen es vielleicht besser. Oder wenigstens weniger chaotisch.“

„Vielleicht“, wiederholt Leila trocken.

„Definitiv vielleicht“, sagt der Schlaksige.

Ich atme tief durch und trete zur Seite, lasse die beiden in die Wohnung. Und während sie an mir vorbeigehen, mit diesen grinsenden Gesichtern, diesen flüchtigen Blicken, die mehr über uns zu wissen scheinen, als sie sollten, frage ich mich, ob das Universum heute doch noch Humor beweisen wollte.

Leila schaut mich an, hebt ihr Baguette wie einen Toast und sagt leise: „Dimension der Crocs und Schlagermusik. Ich sag’s dir.“

Ich schüttle den Kopf, aber ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen.

Denn das hier? Das fühlt sich seltsam normal an.

Die Umzugshelfer marschieren in die Wohnung, und die Stimmung kippt sofort in Richtung absurde Komödie.

Der Typ mit der Baseballkappe bleibt mitten im Flur stehen, stützt die Hände auf die Hüften und pfeift leise durch die Zähne, während er die farbcodierten Kisten betrachtet, die akribisch entlang der Wände gestapelt sind. „Wow“, sagt er schließlich. „Sieht aus wie ein explodierter Regenbogen. Keine Möbel? Nur Kisten?“

Ich verschränke die Arme vor der Brust und lehne mich leicht gegen den Türrahmen. „Weniger Kunstkritik, mehr Anpacken“, sage ich. Meine Stimme klingt strenger, als ich beabsichtigt hatte, aber ehrlich gesagt: Jemand muss hier den Ton angeben, und Leila kaut immer noch an ihrem absurden Frischkäse-Baguette.

Der kleinere Typ, dessen Hemd zwei Nummern zu groß aussieht, hebt eine Kiste hoch, ächzt theatralisch und sieht mich mit einer Mischung aus Belustigung und mildem Entsetzen an. „Was ist da drin? Deine gesammelten Lebensweisheiten?“

„Bücher“, antworte ich knapp und verschränke die Arme noch etwas fester.

„Bücher?“ Er blinzelt mich an, als hätte ich gerade behauptet, ich hätte einen Sarkophag voller Dinosaurier-Knochen im Keller. „Kennst du diese moderne Erfindung namens E-Reader?“

„Kennst du diese altmodische Erfindung namens Manieren?“, schaltet sich Leila ein, ohne ihren Biss ins Baguette zu unterbrechen. Sie schluckt und fährt fort: „Ich kann dir ein Buch darüber leihen. Mit Bildern.“

Baseballkappe lacht laut und schnappt sich zwei Kisten auf einmal, als wolle er seinem Kollegen demonstrieren, wie lächerlich dessen theatralisches Stöhnen war. „Sie ist gut!“, sagt er und wirft Leila ein breites Grinsen zu. „Adoptierst du?“

Leila hebt eine Augenbraue, ihr Lächeln gefährlich süß. „Tut mir leid, mein Problemfall-Kontingent ist schon voll.“

Die beiden Männer tauschen einen Blick aus, und für einen Moment scheint es, als würde Baseballkappe etwas sagen wollen. Aber dann zuckt er nur mit den Schultern und trägt die Kisten Richtung Treppenhaus, gefolgt von seinem schlaksigen Kollegen.

Während sie arbeiten, gleitet mein Blick über die Kisten. Rosa für Schlafzimmer. Lindgrün für Küche. Pastellblau für Arbeitszimmer. Sie stehen akkurat gestapelt, ein Beweis meiner Ordnungsliebe. Doch dann bleibt mein Blick an einer kleineren Box hängen, die abseits der anderen steht. „Erinnerungen“ steht darauf in geschwungener Handschrift.

Ich gehe hinüber, zögere kurz, bevor ich die Kiste aufhebe. Sie ist schwerer, als ich erwartet hatte – ein passendes Symbol, denke ich. Erinnerungen sind immer schwerer, als sie sein sollten.

Und wie auf ein Stichwort flutet ein Bild in meinen Kopf.

Mein erster großer Umzug. London, vor fünf Jahren. Der Regen trommelte leise gegen das Fenster, als mein Vater mir eine kleine geschnitzten Vogel in die Hand drückte. „Eiche für Stärke“, hatte er gesagt und meine Hand fest um das Holz geschlossen. Seine Augen waren weich, aber seine Stimme war ernst. „Aber denk dran, sie kann auch splittern.“

Ich hatte gelacht. „Wie meine Geduld?“

Jetzt, Jahre später, frage ich mich, ob er damals mehr wusste, als er zugegeben hat.

„Niara? Erde an Niara!“ Leilas Stimme reißt mich zurück in die Gegenwart. Sie lehnt lässig gegen die Wand, ihr Baguette mittlerweile fast aufgegessen, und mustert mich mit einem Stirnrunzeln. „Bist du okay?“

„Ja, alles gut“, sage ich schnell und stelle die Kiste wieder ab. „Ich war nur … abgelenkt.“

Sie sieht mich für einen Moment durchdringend an, als wüsste sie, dass ich lüge, aber sie fragt nicht weiter.

Als die letzten Kisten verstaut sind, lehnen sich die beiden Männer an die Wand. Baseballkappe wischt sich den Schweiß von der Stirn und wirft mir ein schiefes Grinsen zu. „Also, Prinzessin, war das alles? Oder willst du uns noch ein Klavier herzaubern?“

„Das war alles“, sage ich trocken. „Aber wenn ihr Lust habt, ein Klavier zu finden, könnt ihr euch gern in der Nachbarschaft umsehen.“

Der kleinere Typ grinst und schnappt sich die letzte Kiste. „Soll ich die besonders vorsichtig tragen? Oder einfach wie die anderen runterwerfen?“

„Wenn du sie fallen lässt“, sage ich und verschränke die Arme erneut, „reden wir über dein Trinkgeld.“

Er lacht und verschwindet mit der Kiste aus der Wohnung, während Baseballkappe ihm hinterherschaut, den Kopf schüttelt und murmelt: „Amateur.“

Leila klopft mir auf die Schulter und schnappt sich ihr Handy vom Küchentisch. „Nicht schlecht, Niara. Du fängst an, ihre Sprache zu sprechen.“

„Ich hab’s von den Besten gelernt“, murmle ich, aber mein Lächeln erreicht meine Augen nicht ganz.

Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fällt, lasse ich mich auf den Boden sinken und strecke die Beine vor mir aus. Leila wirft sich neben mich, streicht über das Display ihres Handys und sagt beiläufig: „Hey, es ist Mittwoch. Wie wäre es, wenn wir am Freitag in Luna Bar gehen und Emma mitnehmen? Wir könnten das Chaos feiern.“

„Klingt wie ein Plan.“ Ich greife nach meiner Tasse, die immer noch auf dem Tisch steht, und nehme einen langen Schluck. „Aber wenn du den Jungs eine Einladung schickst, bin ich raus.“

Leila lacht leise, ein echtes, warmes Lachen, das für einen Moment die Stille füllt. „Keine Sorge. Sie sehen nicht wie Cocktail-Typen aus.“

Ich schließe die Augen, lasse meinen Kopf gegen die Wand sinken und lausche den leisen Geräuschen, die aus dem Flur dringen. Schritte. Stimmen. Das Kreischen eines Handwagens auf dem Boden.